„Man muss die Menschen froh machen“
Am 27. April fand die Eröffnungsfeier des neugestalteten Grieserhofs statt. Ein wesentliches Element des Hauses ist die Kapelle im Erdgeschoss, deren Patronin die hl. Elisabeth ist.
Man muss die Menschen froh machen.“ Dieses Zitat der hl. Elisabeth steht in deutscher und italienischer Sprache an der westlichen Rückwand der umgestalteten Kapelle. Dazwischen sitzt in einem Blindfenster eine holzgeschnitzte weibliche Figur, den Blick leicht gesenkt und in den Händen einen Laib Brot haltend: die hl. Elisabeth. Sie ist nicht nur die Patronin der Kapelle, sondern auch der gleichnamigen Stiftung, die den Grieserhof als Seniorenzentrum führt. Die Darstellung der Heiligen wirkt etwas ungewohnt und lässt sich erst nach genauerem Betrachten einordnen.
Die Fensteröffnung, in der die jugendliche Heilige sitzt, kann ein Hinweis auf ihre Stellung sein. Elisabeth lebte zu Beginn des 13. Jahrhunderts und stammte aus einem Adelshaus. Damals war es durchaus üblich, dass die Adelsfamilien die Gottesdienste in der Schlosskappelle von einem abgetrennten Raum aus hinter einem Sichtfenster mitfeierten. Auf ihren vornehmen Rang könnte auch das silberne Kleid hindeuten. Vielleicht ist das Fenster aber auch ein Bild für ihre Großzügigkeit und Hilfsbereitschaft den Armen gegenüber. Das Fenster könnte demzufolge eine Metapher für das offene Fenster des Herzens sein, mit dem man den Nächsten begegnet. Diese Interpretation ist naheliegend, wenn die roten Farbtupfer in der Fensteröffnung als Rosen gesehen werden und einen Hinweis auf das bekannte Rosenwunder geben. Demzufolge war es der Heiligen verboten, Armen Brot zu verteilen. Als sie es trotzdem tat und dabei überrascht wurde, sollen die Nahrungsmittel auf wunderbare Weise in Rosen verwandelt worden sein. Durch ihre Barfüßigkeit, als Zeichen der Armut, stellt sie sich bildlich gesehen auf die Ebene der Armen und Mittellosen.
Die Heilige ist zur gegenüberliegenden Seite hingewandt, zum Altarbereich. Im Zentrum steht der massive aus Eichenholz gefertigte Altar, links daneben der in Zuordnung und Material entsprechende Ambo und rechts der Priestersitz. Es sind die liturgischen Orte für die Eucharistiefeier. Wenn Elisabeth das Brot, ein Grundnahrungsmittel, in den Händen hält und diese Gabe zum Altar bringt, dann ist die Eucharistie die geistige Nahrung, das gewandelte Brot.
Dieses Glaubensgeheimnis wird durch das ungewöhnliche rechteckige Altarbild hervorgehoben. Es ist das Schlüsselbild, das nur im Glauben erschlossen werden kann. Entsprechend durchgebildet, nahezu abstrakt wirkt die Großflächenmalerei, deren Grundfarbe Blau mit vielen Nuancen bildet. Unwillkürlich entsteht eine Assoziation mit dem Meer oder dem Himmel, auf alle Fälle aber ist Blau eine Farbe, die entspannend und beruhigend wirkt und für Frieden, Harmonie und Zufriedenheit steht.
Die weißfarbenen, wolkenartigen Schwaden durchdringen die Darstellung und nehmen nach oben hin zu. Eine leicht angedeutete weiße waagrechte Linie im oberen Bilddrittel scheint einen Horizont zu bilden, der gewissermaßen einen Übergang markiert und zwei Welten miteinander zu verbinden scheint.
Die Aufmerksamkeit aber wird an die hellste Stelle der Altarwand gelenkt, die etwas Verborgenes zu überstrahlen scheint, die überbelichtet wirkt und das Auge blendet.
Es mutet an, als ob eine dahinterstehende Darstellung überblendet wäre. Nur im unteren Abschnitt lassen sich vielleicht Füße ausmachen, die wiederum die Einbildungskraft anregen und erahnen lassen, was im Grunde auch nur im Glauben erfassbar ist: das Geheimnis der Auferstehung Jesu. Es ist die zentrale Botschaft des Glaubens, die Zuversicht und Hoffnung gibt. Die hl. Elisabeth hat nach diesem Glauben gelebt und kann hinführen zu dieser Botschaft, die den Menschen „froh machen kann“.
(peter Schwienbacher, Sonntagsblatt, 27.05.2018)